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{"id":463,"date":"2017-08-17T14:28:58","date_gmt":"2017-08-17T14:28:58","guid":{"rendered":"http:\/\/m12305.contabo.net\/~kd56997\/?p=463"},"modified":"2020-12-17T00:17:55","modified_gmt":"2020-12-17T00:17:55","slug":"pfingstritt-in-koetzting-wo-reiter-beten-und-hengste-flirten","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.braeutigam.de\/pfingstritt-in-koetzting-wo-reiter-beten-und-hengste-flirten\/","title":{"rendered":"Pfingstritt in K\u00f6tzting: Wo Reiter beten und Hengste flirten"},"content":{"rendered":"

Die allj\u00e4hrliche Bittprozession hoch zu Pferde in Bad K\u00f6tzting ist ein Ausnahmezustand – f\u00fcr Ross und Reiter. Eine kurze Schilderung aus eigener Perspektive.<\/p>\n\n

An Pfingsten findet in Bad K\u00f6tzting N\u00e4he Cham in der Oberpfalz j\u00e4hrlich eine der gr\u00f6\u00dften Reiterprozessionen Europas statt. Es ist der Landkreis, in dem Pfingsten schon vor Ostern beginnt, wie der BR festgestellt hat. Und das seit mittlerweile \u00fcber 600 Jahren. Letztes Jahr waren es 803 Reiter. Zumindest am Anfang bedeutet das auch 803 Pferde in einer Kleinstadt von gut 60 km2, das macht umgerechnet pro 10 Einwohner inklusive Reiter ein Pferd. Die Kanalisation mag daf\u00fcr ger\u00fcstet sein, was die gut 8.000 Einwohner von sich geben, nicht aber f\u00fcr das der 800 Pferde. Aber dieser profanen Rechnung steht ein ganz anderes, heres Ziel gegen\u00fcber.<\/p>\n

Ursprung und Wesen des Pfingstritts in Bad K\u00f6tzting<\/h2>\n

Diese Bittprozession hoch zu Pferde bildet eine christliche Tradition, die auf ein Gel\u00fcbde von anno 1412 nC. zur\u00fcckgeht. Im etwa 7 km entfernten Steinb\u00fchl lag ein Mann im Sterben und bat um die Sterbesakramente. Damals waren die Wege noch nicht geteert, mit Ampeln und Kreisverkehr geregelt und von Leitplanken ges\u00e4umt. Neben einem schlimmen Unwetter gef\u00e4hrdeten auch B\u00e4ren und Wegelagerer (gut, manch einer denkt an moderne, ebenfalls gr\u00fcne Wegelagerer, die einem nach einem Foto auch das Geld aus der Tasche ziehen) den Ritt des Pfarrers von K\u00f6tzting nach Steinb\u00fchl, weswegen er von den Burschen aus K\u00f6tzting Geleitschutz bekam. Nach unversehrter R\u00fcckkehr gelobten diese, als Dank den Ritt jedes Jahr zu wiederholen.<\/p>\n

So ist der Ritt heute noch ein Zeugnis des christlichen Glaubens, der Heimatliebe und eine Tradition, die weite Kreise um Bad K\u00f6tzting herum \u00fcber viele Wochen pr\u00e4gt. Aus Sicht eines Pfingstreiters wird darauf wert gelegt, dass der Ritt als Wallfahrt erkennbar ist und nicht als Touristenattraktion wahrgenommen wird. Das Winken und Gr\u00fc\u00dfen vom Pferd herab ist genauso verp\u00f6nt wie auch Essen, Trinken, Rauchen, neuerdings auch Telefonieren oder sonstiges Wischen auf dem Smartphone. Es wird gebetet auf dem Pferd. Der Rosenkranz hat dabei eigene Gesetze und ist gepr\u00e4gt von einem Sprechrhythmus, der wohl einzigartig ist und nur von Pfingstreitern gepflegt wird. Nur so viel zum Ideal und zum Wesen des Ritts. Die praktische Umsetzung r\u00fcckt den Ritt wieder eher in das Licht der profanen Rechnung eingangs und damit, was die Pferde so von sich geben. Denn Pferde haben oft etwas anderes im Kopf als Beten, Bitten und Danken. Eine kurze Schilderung aus eigener Perspektive.<\/p>\n

Eine eigene Erfahrung f\u00fcr Pfingstreiter und Ross<\/h2>\n

Nach 35 Jahren Urlaub auf dem Bauernhof stieg ich 2012 zum 600-j\u00e4hrigen Jubil\u00e4um des Pfingstritts als Wald- und Wiesen-Reiter ein in die Tradition eines Pfingsreiters. Aus Platzmangel in meiner Wohnung folgt nat\u00fcrlich ein Mangel an einem Pferd, weswegen ich mir gegen Bezahlung eines von einem anderen Bauernhof ausleihen muss. Auch hier wird darauf wert gelegt, dass der Reiter sp\u00e4testens um Ostern herum vorstellig wird und sich mit dem Ross vertraut macht. In meinem Falle ist das ein rabenschwarzer Wallach mit gl\u00e4nzendem Fell und vielleicht 1.80m Stockma\u00df. Also Schulterblatt. Da schauen meine 1.90m aus wie 1.60m. Von Augenh\u00f6he ist hier keine Spur – au\u00dfer der Wallach Fritz l\u00e4sst sich gn\u00e4digerweise zu mir herab. Aber es funktioniert, also die Teambildung: Links, rechts, vor, zur\u00fcck, alles in Pferdesprache, das haut hin einigerma\u00dfen. Ge\u00fcbte Reiter schaffen das auch mit Schenkeldruck, aber Fritz w\u00fcrde meine Bem\u00fchungen wohl h\u00f6chstens als leichten Seitenwind interpretieren. Der Ausritt klappt also – w\u00e4ren beim Ernstfall an Pfingsten nicht noch 802 weitere R\u00f6sser. Wie Menschen ebenfalls verstehen sich nicht alle untereinander. Neben mir reitete ein Hengst, der wohl noch nie so viele Frauen, also Stuten, auf einem Haufen gesehen hat. Da muss man (pferd) sich nat\u00fcrlich pr\u00e4sentieren, was f\u00fcr einige Unruhe sorgte und auch dem weitaus ge\u00fcbteren Reiter als mich einiges abverlangte und f\u00fcr Kollateralsch\u00e4den sorgte. Denn gereitet wird in Tracht und Schmuck, der unter den Strapazen des Ritts leiden kann.<\/p>\n

Weg und Ziel des Pfingstritts<\/h2>\n

Die sogenannten R\u00f6serl aus Krepppapier zieren den Schweif, die Ohren und teils die M\u00e4hne des Pferdes. Die \u201cOhren\u201d sind ein Stoff\u00fcberzug f\u00fcr Ohren und Stirn des Rosses, an dem eigens f\u00fcr den Ritt angefertigte R\u00f6serl in den Farben der Stadt K\u00f6tzting gr\u00fcn und wei\u00df befestigt werden, in Kreuzform oder in verschiedenen Mustern. Sie zieren auch die Merkmale eines richtigen Pfingstreiters, den Lerchenzweig am Hut und den Wacholderzweig, den „Krowied“, im Stiefel. Die fliegen nat\u00fcrlich, wenn der Hengst die Witterung aufgenommen hat. W\u00fcrden alle R\u00f6serl fliegen, w\u00fcrden circa 20.000 R\u00f6serl den Weg nach Steinb\u00fchl zieren. Gebetet wird dann nicht nur daf\u00fcr, dass uns der Herrgott vor Blitz, Hagel und jedem Unheil bewahren m\u00f6ge oder uns die Fr\u00fcchte des Feldes schenken und bewahren wolle, sondern auch, dass der Reiter nicht gleich mitfliegt. Kommt noch dazu, dass an jedem der vier Evangelien, die auf dem Weg nach Steinb\u00fchl gelesen werden, der Hut abgenommen wird und nat\u00fcrlich mit einer Hand festgehalten werden muss. Das bedeutet, man hat f\u00fcr die Z\u00fcgel nur noch eine Hand frei. Im Falle meines Reiterkollegen war es die einh\u00e4ndige Z\u00e4hmung eines Hengstes unter hunderten von Stuten, der dabei auch schon mal gestiegen ist, also den aufrechten Gang auf zwei Beinen ge\u00fcbt hat.<\/p>\n

Ziel des Ritts ist neben der Erneuerung des Gel\u00f6bnisses, dem Gebet um gute Ernte und Verschonung von Gewalten, die der Mensch nicht im Griff hat, vor allem die Pfingstreitermesse in der Wallfahrtskapelle St. Nikolaus im erh\u00f6hten Zentrum von Steinb\u00fchl. Fast schon uniformiert pr\u00e4gen die Pfingstreiter mit ihren blauen M\u00e4nteln, die eigens f\u00fcr den Pfingstritt geliehen oder gen\u00e4ht werden, die ersten Bankreihen und schmettern in tiefster Inbrunst die von Bl\u00e4sern getragene Schubertmesse. Aus Sicht der katholischen Kirche ist hier noch die Welt in Ordnung. Hier kommen dankenswerterweise auch Frauen zum Einsatz, die sich au\u00dferhalb der Kirche um St\u00e4rkung der Reiter und um die Pferde k\u00fcmmern. Der Ritt an sich ist den M\u00e4nnern vorbehalten.<\/p>\n

R\u00fcckkehr und Ausblick<\/h2>\n

Nach der Kirche und einer kurzen Pause treten die Reiter, etwas in der Anzahl reduziert, den R\u00fcckritt an. Nun kommen auch die herausgeputzten G\u00e4rten und der Ausblick \u00fcber K\u00f6tzting und andere kleine Ortschaften zum Tragen, was beim Ausritt durch die vielen Zuschauer, die es sich entlang der Strecke auch mit Biertischen und Verpflegung gem\u00fctlich gemacht haben und mit ihren Teleobjektiven auf die Reiter zielen, teils verdeckt war. Auch hier pr\u00e4gt das Klappern der Hufe und der ungew\u00f6hnliche Sprachrhythmus des Rosenkranzes die Ger\u00e4uschkulisse.<\/p>\n

Und wieder ist die K\u00f6tztinger Innenstadt gepr\u00e4gt von den blau bemantelten Reitern. Ein Teil davon wird jedes Jahr f\u00fcr die wiederholte Rittteilnahme geehrt, ab 25 Teilnehmerjahren darf man vorreiten und sich bei der Stadt Bad K\u00f6tzting „f\u00fcr die Ehre und Auszeichnung“ bedanken. Die Jubilarfahne darf auf dem Pferd nun jedes Jahr mitgetragen werden. Ist man hier in K\u00f6tzting angekommen, hat das Ross neben einer ungewohnten Stutenerfahrung nun den Reiter \u00fcber 4-6 Stunden auf dem R\u00fccken gehabt, je nach Art der Anreise. Und der Reiter ist ebenfalls dementsprechend gepr\u00e4gt.<\/p>\n

Es wird sehr viel auf Ehre, W\u00fcrde, Tradition und einem dementsprechenden Verhaltenscodex gelegt. Immerhin wird das Allerheiligste in Form einer tragbaren Monstranz vorne weg pr\u00e4sentiert. Daneben z\u00e4hlt vor allem, dass den Reitern, R\u00f6ssern und auch den tausenden Zuschauern nichts Ernstes passiert ist. So war es auch diesmal, also wenn man den eigenen breiten Gang au\u00dfer acht l\u00e4sst, als h\u00e4tte man immer noch den Sattel zwischen den Beinen. Es gibt Erholung bis zum n\u00e4chsten Pfingsten, also bis vor Ostern.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

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