Credit: Economist.com<\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n\u201eIch hoffe, Sie haben viel gute Laune mitgebracht. Denn im Laufe des Vortrags wird sie Ihnen abhanden kommen.\u201c So leitet Dr. Bruno Deiss die Frage nach der Zukunft der Menschheit ein. Er ist Wissenschaftlicher Direktor des Physikalischen Vereins in Frankfurt und Professor f\u00fcr Astrophysik an der Goethe-Universit\u00e4t. Damit meint er nicht die platte Tatsache, dass sich die Sonne irgendwann ausdehnt und es in 800 Millionen Jahren keine Landtiere mehr geben wird. Ihm geht es eher darum, wo wir in unserer Entwicklung als menschliche Spezies stehen und was uns noch bevorstehen k\u00f6nnte.<\/p>\n\n\n\n
Ein Langweiler-Planetensystem<\/h2>\n\n\n\n
Kopernikus hat gesagt, dass wir nichts Besonderes sind im Universum. Planeten gibts Milliarden und die Sonne ist auch nur so ein Otto-Normalverbraucher-Stern. Das ist These 1.<\/p>\n\n\n\n
These 2: Warum sollten Bakterien in einer Petrischale mit einer N\u00e4hrl\u00f6sung etwas anderes sein als Lebewesen auf einem Planeten in einem Langweiler-Planetensystem? Bakterien vegetieren so dahin, dann bekommen sie eine N\u00e4hrl\u00f6sung, explodieren im Wachstum, fressen alles weg und wundern sich dann, warum nichts mehr da ist. Danach reduziert sich ihre Anzahl wieder dramatisch.<\/p>\n\n\n\n
These 3: Dr. Deiss weist auf ein Argument aus den 90er Jahren hin, das Delta-T-Argument oder das Doomsday-Argument des Astrophysikers Richard Gott III. Das besagt, dass wir uns in einem Lebenszyklus mit hoher Wahrscheinlichkeit in den mittleren 95 Prozent befinden. Die ersten 2,5 Prozent nach der eigenen Entstehung und die letzten 2,5 Prozent vor dem Untergang sind sehr unwahrscheinlich. Und gem\u00e4\u00df Kopernikus sind wir nichts Besonderes, also befinden wir uns irgendwo innerhalb der 95 Prozent unserer Existenz. Das Argument ist umstritten, aber nicht widerlegt. Es spricht einiges daf\u00fcr.<\/p>\n\n\n\n
Lebensdauer einer Kaffeetasse<\/h2>\n\n\n\n
Angenommen, wir gehen in ein Cafe und bekommen eine Kaffeetasse. Angenommen, die Kaffeetasse gibt es schon seit drei Jahren (= 2,5 Prozent ihrer Lebensspanne), dann wird sie noch mindestens 28 Tage existieren oder maximal 117 Jahre. Immer vorausgesetzt, die Tasse und unser Besuch ist nichts besonderes und spielt sich innerhalb der 95 Prozent der Existenz der Kaffeetasse ab. Dieses Zahlenspiel geht auch mit der Menschheit.<\/p>\n\n\n\n
Es ist unwahrscheinlich, dass wir in den ersten oder letzten 2,5 Prozent unserer Existenz auf diesem Planeten leben. Den Menschen gibt es seit etwa 200.000 Jahren. Hochgerechnet bedeutet es, uns stehen noch mindestens 5100 Jahre bevor, maximal jedoch 7,8 Millionen Jahre. Wenn die Petrischale mit den Bakterien aussagekr\u00e4ftig ist, sind wir mit der \u00dcberbev\u00f6lkerung des Planeten gerade im explosionsartigen Wachstum. Alles wegfressen, was da ist, und uns dann wundern, dass nichts mehr da ist. Das Population Reference Bureau hat im Jahr 2019 ausgerechnet, dass bisher etwa 108 Milliarden Menschen geboren worden sind. Gem\u00e4\u00df der 95 Prozentregel werden noch mindestens 2,7 Milliarden geboren, h\u00f6chstens jedoch 4200 Milliarden. Wie lange dauert das noch? In der Steinzeit lebten etwa eine Million Menschen, die aktuelle Bev\u00f6lkerungsprojektion rechnet mit 20 Milliarden Menschen Ende des Jahrhunderts, dann k\u00f6nnte es vielleicht wieder wie in einer Petrischale auf eine Million Menschen runtergehen. Das w\u00e4re die l\u00e4ngste Zeitdauer unserer Existenz: Der Planet beherbergt nur eine Million Menschen nach unserer zivilisatorischen Hochphase.<\/p>\n\n\n\n
Auf dem Heimatplaneten bleiben<\/h2>\n\n\n\n
Abhilfe w\u00e4re vielleicht, viele Menschen auf Raumstationen auszulagern. Wer wei\u00df schon, was die Raumfahrt leisten kann, wenn nicht 70, sondern 1000 Jahre vergangen sind. Aber auch hier: Warum soll der Zeitpunkt unserer Raumfahrt etwas besonderes sein, also an den 2,5 Prozent des Anfangs stehen? Vielleicht ist das gar kein guter Plan und deswegen haben wir noch keine Aliens getroffen: Weil alle einfach nur auf ihrem Heimatplaneten abh\u00e4ngen. Wie wir.<\/p>\n\n\n\n
Es sei denn: Wir greifen aktiv ein in unsere Entwicklung. Wir treffen nicht zuf\u00e4llig auf eine Kaffeetasse in einem Cafe, wir benehmen uns nicht einfach wie gefr\u00e4\u00dfige Bakterien in einer Schale. Wir sind mitten im Experiment und \u00e4ndern mit unserem Konsumverhalten den Fortschritt der Menschheit. Und zeigen es den Bakterien.<\/p>\n\n\n\n