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{"id":1033,"date":"2020-12-16T14:01:49","date_gmt":"2020-12-16T14:01:49","guid":{"rendered":"https:\/\/www.braeutigam.de\/?p=1033"},"modified":"2020-12-16T14:07:30","modified_gmt":"2020-12-16T14:07:30","slug":"das-kreuz-mit-den-aliens","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.braeutigam.de\/das-kreuz-mit-den-aliens\/","title":{"rendered":"Das Kreuz mit den Aliens"},"content":{"rendered":"\n

In der M\u00fcnchner Kirchenzeitung erschien in der Ausgabe 50\/2020 als Themenschwerpunkt „Unendliche Weiten“ auch mein Artikel \u00fcber Aliens und ihre Auswirkungen auf den christlichen Glauben. An dieser Stelle mit Dank an den zust\u00e4ndigen Redakteur Joachim Burghardt. <\/p>\n\n\n\n

\"32000
32000 beobachtbare Galaxien<\/figcaption><\/figure>\n\n\n\n

Astrophysiker treiben die Zahlen, wie viele Sterne und Planeten es im Universum geben k\u00f6nnte, in regelm\u00e4\u00dfigen Abst\u00e4nden nach oben. Im Moment liegen wir bei einer Sch\u00e4tzung von \u00fcber zwei Trillionen Galaxien. Astrobiologen w\u00e4ren hingegen froh, wenn sie zumindest eine eindeutig au\u00dferirdische Mikrobe finden w\u00fcrden.<\/p>\n\n\n\n

Eines ist sicher: Das Universum ist so beschaffen, dass es intelligentes Leben hervorbringen kann. Wir sind der Beweis. Auch wenn manche einwenden, mit der Intelligenz der irdischen Bewohner w\u00e4re es nicht so weit her.<\/p>\n\n\n\n

Solange Astrophysiker und Astrobiologen nichts anderes erz\u00e4hlen, spricht wenig dagegen, dass die Prozesse, wie sie hier auf der Erde zur Entstehung des Lebens gef\u00fchrt haben, nicht auch auf anderen Planeten ablaufen k\u00f6nnten, sofern die Bedingungen geeignet sind. Mit theologischen Argumenten zu begr\u00fcnden, was im Universum existieren darf und was nicht, hat in der Theologiegeschichte selten zu \u00fcberpr\u00fcfbaren Erkenntnissen gef\u00fchrt. Im Gegenteil.<\/p>\n\n\n\n

Das \u00dcberdenken christlicher \u00dcberzeugungen im Lichte neuer Daten aus dem Gebiet der Naturwissenschaften ist nichts Neues in der Geschichte des Christentums. Sein Untergang wurde vorhergesagt, als Kepler und Kopernikus die Erde aus dem Zentrum unserer Galaxie verbannten. Der Mensch war in Raum und Zeit nicht mehr der Mittelpunkt der Sch\u00f6pfung. Nach Darwin kann der Mensch im Vergleich zu anderen Gesch\u00f6pfen keine ontologische Sonderstellung einnehmen. Nach Sigmund Freud ist die Vernunft- und Geistbegabung nicht unbedingt das bestimmende Element, so dass er gegen\u00fcber dem Unbewussten noch nicht einmal mehr Herr im eigenen Hause w\u00e4re. Sollte sich nun herausstellen, dass es noch andere intelligente Wesen im Universum g\u00e4be, denen Gott mindestens genauso zugetan w\u00e4re wie den Menschen, so w\u00e4re auch eine soteriologische Sonderstellung des Menschen hinf\u00e4llig. Das Heilsgeschehen, auf das wir uns im Advent besinnen, w\u00fcrde in einem unendlichen homogenen Universum keinen Sinn mehr machen. Wie soll am Rande des Universums in einer Krippe liegend die gesamte Sch\u00f6pfung errettet worden sein? Und wie soll das einem Andersgl\u00e4ubigen vermittelt werden?<\/p>\n\n\n\n

Einer der Gr\u00fcnderv\u00e4ter der Vereinigten Staaten von Amerika zur Zeit der Aufkl\u00e4rung, Thomas Paine (1737-1809), sagte angesichts eines riesigen Universums: „Woher konnte nur die seltsame Vorstellung kommen, dass der Allm\u00e4chtige, der Millionen von Welten gleicherma\u00dfen unter seinem Schutz hatte, die F\u00fcrsorge f\u00fcr alle anderen aufgeben und zum Sterben in unsere Welt kommen sollte, weil, so hei\u00dft es, ein Mann und eine Frau einen Apfel gegessen h\u00e4tten!\u201d Um andere Gesch\u00f6pfe gleicherma\u00dfen zu erl\u00f6sen, h\u00e4tte \u201ein diesem Fall die Person, die als Sohn Gottes und manchmal auch als Gott selbst bezeichnet wird, nichts anderes zu tun, als von Welt zu Welt zu reisen, in einer endlosen Folge von Geburt, Tod und Auferstehung und einer kurzen Zeitspanne des Lebens.\u201d Da dies offensichtlich absurd ist, kann nur eines von beiden \u00dcberzeugungen wahr sein: Entweder ist das Christentum wahr, oder das Universum ist unendlich gro\u00df, so dass die Existenz von Aliens naheliegt. Im zweiten Fall zieht das Christentum den K\u00fcrzeren und sollte auf dem Schutthaufen der Geschichte landen. Aus dieser Universalkritik am Christentum heraus hat sich die Exotheologie entwickelt. Der Name orientiert sich an den Spezialf\u00e4chern der Exobiologie, Exochemie oder Astrobiologie. Nur Astrotheologie k\u00f6nnte mit Astrologie verwechselt werden.<\/p>\n\n\n\n

Der Theologe Brian Hebblethwaite war noch in den 1960er Jahren der \u00dcberzeugung, dass die Einzigartigkeit der Inkarnation als die h\u00f6chste und endg\u00fcltige Offenbarung an die Menschheit der Beweis daf\u00fcr w\u00e4re, dass keine andere Spezies, intelligent und in der Gnade Gottes stehend, existieren w\u00fcrde. Nun gibt es in Kalifornien das SETI-Institut, das sich auf die Suche nach Aliens macht. Mit nur einem einzigen Treffer w\u00e4re die gesamte Theologie eines Hebblethwaite hinf\u00e4llig.<\/p>\n\n\n\n

Selbst Thomas von Aquin (1225?-1274) schloss die M\u00f6glichkeit einer zweiten Inkarnation nicht aus, da ein allm\u00e4chtiger und unendlicher Gott selbstverst\u00e4ndlich zu einer erneuten Inkarnation f\u00e4hig w\u00e4re. Faktisch kam es jedoch nie dazu.<\/p>\n\n\n\n

Das theologische Problem liegt gar nicht so sehr in der Vorstellung eines Universums mit anderen intelligenten Wesen. Der ehemalige Direktor der p\u00e4pstlichen Sternwarte und Jesuit Jose Funes sprach von \u201eunseren au\u00dferirdischen Br\u00fcdern und Schwestern\u201c. Eine kosmologische Erweiterung der neuesten Enzyklika des Papstes Fratelli tutti. Die Probleme entstehen im Glauben an die christliche Heilsgeschichte, die die amerikanische Theologin Marie I. George so beschreibt: „Die Frohe Botschaft ist, dass die Zweite Person der Dreifaltigkeit Mensch wurde, um uns von der S\u00fcnde zu erl\u00f6sen, sowohl der Erbs\u00fcnde als auch der pers\u00f6nlichen S\u00fcnde. Christus erl\u00f6ste uns durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten.\u201c Sollten Aliens existieren, dann sind sie wahrscheinlich nicht erl\u00f6sungsbed\u00fcrftig, denn alles Erl\u00f6sungsbed\u00fcrftige in diesem Universum wird von Christus am Kreuz erl\u00f6st, so George. Diese Frohe Botschaft m\u00fcsse also den Aliens mitgeteilt werden – vielleicht durch menschliche Mission, durch Engel oder den Heiligen Geist. Eine zweite Inkarnation ist wegen der Bedeutung des Kreuzes unm\u00f6glich.<\/p>\n\n\n\n

Hier stellt sich die Frage, wie ein paradiesischer Planet, auf dem das B\u00f6se nicht existiert, aussehen sollte? Oder andererseits, wenn es doch Aliens gibt, die s\u00fcndigen? Dann m\u00fcsse man das Thema an das Lehramt nach Rom weiterreichen, sagt George. Doch dazu gibt es keine lehramtlichen Aussagen. Um dieser Ratlosigkeit Herr zu werden, hilft es, \u00fcber das nachzudenken, was wir unter der Person und der Bedeutung von Jesus Christus verstehen. Damit f\u00fchrt der Weg \u00fcber Aliens zur Kernfrage des christlichen Glaubens.<\/p>\n\n\n\n

Der Theologe Armin Kreiner, ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls f\u00fcr Fundamentaltheologie an der Ludwig-Maximilians-Universit\u00e4t M\u00fcnchen, hat einen anderen Ansatz. Die Probleme, die in den von Paine beschriebenen Absurdit\u00e4ten gipfeln, entstehen aus einem bestimmten Verst\u00e4ndnis von Inkarnation. Nach Kreiners Ansicht liegt das Problem in der ontologischen Kluft zwischen Inkarnation und Sch\u00f6pfung, dem Gottmenschen und der Menschheit. Die traditionellen Ansichten \u00fcber die Inkarnation sind angesichts eines allm\u00e4chtigen Sch\u00f6pfers meist unvereinbar mit Aliens. Wenn es m\u00f6glich w\u00e4re, die Inkarnation als ein tief in der Sch\u00f6pfung selbst liegendes Prinzip zu denken, und Jesus Christus als Manifestation des G\u00f6ttlichen gedacht werden k\u00f6nnte, dann sind weitere Manifestationen des G\u00f6ttlichen im Universum nicht undenkbar. Die das Universum entscheidende Erl\u00f6sungstat liegt nicht in einem einmaligen historischen Ereignis am Rande des Universums, sondern darin, dass das G\u00f6ttliche wie eine andere Seite der Medaille in der gesamten Sch\u00f6pfung erfahrbar werden kann.<\/p>\n\n\n\n

Auf diese Weise kann jedes Gesch\u00f6pf im Universum an der Erl\u00f6sung teilhaben, die nicht im Blutzoll am Kreuz auf Golgotha besteht, sondern in der Zuwendung eines bedingungslos liebenden Gottes, der allbarmherzig S\u00fcnden vergibt, Wunden heilt und die gerade jetzt so schmerzlich sp\u00fcrbare Gebrechlichkeit der menschlichen Existenz \u00fcberwindet. Darin wird die Hoffnung best\u00e4rkt, dass die eigene Existenz allen Widrigkeiten zum Trotz einen Sinn hat, ein Ziel verfolgen kann, ein gelingendes Leben erm\u00f6glicht und schlie\u00dflich alles zu einem guten Ende findet.<\/p>\n\n\n\n

Wie wir uns als Mensch verstehen, als Person, so verstehen wir uns als Abbild dessen, der uns an Weihnachten als Antwort auf unsere Existenz pr\u00e4sentiert wird. Die Erl\u00f6sung besteht im personalen Gegen\u00fcber mit dem, auf den alles zul\u00e4uft. Der Theologe Eugen Biser sagte einmal auf die Frage, wohin denn Jesus Christus auferstanden w\u00e4re: In die Herzen der Seinen. Daher liegt im Wesen des Christentums ein mystischer Kern der Begegnung mit dem Auferstandenen, der innigste Kontakt mit der g\u00f6ttlichen Wirklichkeit. Und aus welchem theologischen Grund sollte diese M\u00f6glichkeit anderen Gesch\u00f6pfen verwehrt bleiben? Karl Rahner schrieb in der zweiten Auflage des Lexikons f\u00fcr Theologie und Kirche \u00fcber Sternenbewohner, dass sie nicht in der Gnade Gottes stehen w\u00fcrden gleichsam wie Menschen. Wenige Jahre sp\u00e4ter revidierte er diese Aussage und r\u00e4umte die g\u00f6ttliche Zuwendung als M\u00f6glichkeit auch f\u00fcr Aliens ein.<\/p>\n\n\n\n

Nicht jede christliche \u00dcberzeugung kommt mit der m\u00f6glichen Existenz von Aliens zurecht. Manche jedoch schon. Sollten sich Aliens einmal melden, w\u00e4re das nicht der Untergang des Christentums. Aber vielleicht ein Ansto\u00df, das, was wir als h\u00f6chste g\u00f6ttliche Offenbarung und Erl\u00f6sung verstehen, noch tiefer, umfassender, universaler und katholischer zu denken. Damit kann man auch jetzt schon beginnen.<\/p>\n\n\n\n

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